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Datum:04.12.2020 - Kategorie:Familie
Lesedauer:ca. 12 Min.

Kolumne: Mental Load - mein Weg gegen die Last des Dran-Denkens

Neulich fand der Mann, dass es langsam „einreißen“ würde, dass er das Kind allmorgendlich für den Kindergarten fertig macht. Er fand das in einem Ton, der mich aufhorchen ließ. Was war eigentlich mit den letzten fünf Jahren, in denen meistens ich morgens Tränen und Popos trocknete und überfällige Abgabetermine verdrängte?

Zugegeben. Der Mann, von dem ich hier spreche, ist ein liebevoller und präsenter Vater. Er hat das Kind von der ersten Nacht an betreut, damit ich Schlaf fand. Und seit letztem Jahr ist er mein Ehemann. Er ist einer, der fast jeden Abend in der Küche steht, um uns etwas Feines zuzubereiten. Mit viel Salat, weil ich das mag. Er geht mit dem Sohn zum Karate und ist mein doppelter Boden, wenn mir Server oder Nerven abschmieren. Von so einem Mann kann Frau nur träumen.

Eigentlich.

In den letzten Jahren organisierte der Mann hauptsächlich die Kohle – und ich die Kinderversorgung. In dieser Zeit entwickelte ich mit unserem Sohn ein Sammelsurium an Strukturen und Struktürchen für einen entspannten Alltag. Vorbereitungen für den Kindergarten, Kindergeburtstage oder für zahlreiche Reisen bestanden aus winzigen, unsichtbaren Schritten, dem viel beschworenen Mental Load. Und von dem, also von meinem Mental Load, hatte der Mann nur eine vage Ahnung. Und wie aus der spontanen, Chaos-geneigten Opernsängerin unmerklich ein Ritual-Junkie wurde, konnte er sich zunächst auch nicht erklären.

Seit ich Mutter bin, schwöre ich auf eben auf das, was mein Künstlerinnen-Herz lange verabscheute: Routinen. Die machen unser Leben heute planbar und helfen dem Kind, den Überblick über unser recht kompliziertes Betreuungssystem zu behalten.

Überhaupt sind Übergänge für kleine Kinder oft kniffelig, das lernte ich im Pädagogik-Studium. Die Absehbarkeit von Abläufen hilft ihnen, sie zu meistern. Und das hilft mir, Fassung zu bewahren. Fassung zu bewahren, wenn der Hund kotzt, das Kind nochmal auf Toilette muss, während draußen die Freundin fröhlich zur Abfahrt hupt.

Unser Ziel: Mental load Fifty-Fifty aufteilen

Seit Corona fährt der Mann nun nicht mehr jeden Morgen lange vor Sonnenaufgang nach Nürnberg. Er arbeitet von zu Hause aus. Für uns bedeutete das eine umfassende Veränderung der Familiendynamik. Wir einigten uns auf mehr Raum für mich und meine Arbeit. Und darauf, dass er sich noch stärker im Familienalltag einbringt. So entlastend sich der Gedanke auch anfühlte – am Anfang hatten wir es nicht leicht, in den neuen Tritt zu kommen.

Unsere Leben hatten auf einmal ungekannte Schnittmengen. Wir teilten nicht nur die Hausarbeit auf. Auch die Besuche bei Kinder- und Tierarzt, Elterngespräche und Hunderunden waren plötzlich Gemeinschaftsgut. Dinge, für die ich nur den Autopiloten anschmeiße, waren zunächst Neuland für den Mann. Und ich gewöhne mich nur langsam daran, dass ich viele Entscheidungen nun nicht mehr alleine treffe.

Die Herausforderung: Der Mann und ich haben ziemlich unterschiedliche Vorstellungen über die Art, wie diese oder jene Arbeit zu tun sei. Wir finden auch unterschiedliche Dinge unterschiedlich wichtig und, wen wundert’s, wir sind einfach maximal unterschiedliche Menschen. 

„Konsens zu finden ist für uns oft ein kommunikativer Kraftakt.“ (Tanja)

Unsichtbare Last: Weiß der andere, an was ich alles denken muss?

Wir denken viel darüber nach, was da zwischen uns genau geschah und geschieht. Wir bemerken beide, wie wenig wir bisher von der Last der und des anderen wussten. Der Mann hat(te) keine Vorstellung davon, wie viel Mental Load mein Teil des Versorgungs-Apparats von Kind, Hunden, Haus und Garten macht.

Wie viele Schritte sind es, bis ich die Äpfel geerntet, in die Küche getragen und zu duftendem Apfelmus verarbeitet habe? Und wie ist es für mich, mit den Gedanken immer wieder zur Arbeit abzuschweifen, für die zu wenig Zeit bleibt? Tja. Und wie viele Schritte sind es, bis der Großteil des Familieneinkommens verdient ist? Bis die Steuererklärung gemacht, der Rasen gemäht und die Küche sauber ist? Darum kümmerte sich vor Corona meistens der Mann.

Exkurs – was verstehen wir genau unter dem Begriff Mental Load?

Der Begriff Mental Load, Mentale Last, geistert seit einer Weile auch im deutschsprachigen Raum durch die Medien-Landschaft. Er beschreibt die Summe aller Schritte, die es braucht, bis eine Aufgabe erledigt ist. Das beginnt schon bei der Entscheidung, dass etwas zu tun ist. Wer behält die Aufgabe im Blick? Wer setzt was davon um? Und – welche Aufgaben halten uns im Alltag immer und immer wieder auf Trab? Sich diesen Mental Load vor Augen zu führen, im Einzelnen zu erkennen, was wir tagtäglich zu schultern haben, halten Expertinnen wie die Bloggerin Patricia Cammarata für den Schlüssel fairer Verteilung alltäglicher Pflichten auf alle (erwachsenen) Schultern der Familie.

Miteinander reden ist das A und O

Jetzt, nach einigen Monaten, ernten wir die ersten zarten Früchte eines anstrengenden Prozesses. Seit Wochen halten wir jeden Sonntag eine Familien-Konferenz ab, was mit einem Wackelzahn-Rebellen kein Spaziergang ist. Wir besprechen, was in der vergangenen Woche los war und wie wir uns miteinander gefühlt haben. Neben Waffeln und duftendem Kakao kommen auch unerfüllte Wünsche und Bedürfnisse auf den Tisch. Am Ende fließt das alles ein in einen Wochenplan, der die Aufgaben zusammenfasst. Wir klären Zuständigkeiten und ob sich auch alle damit gut fühlen. 

Leicht ist das nicht. Und auch nicht immer frei von Tränen, Enttäuschung und Wut. Die schluckt gleichzeitig niemand mehr runter. Ab jetzt kommt alles auf den (Sonntags-)Tisch. 

Ich bemerke, dass mein Wunsch, mich für die Gemeinschaft einzusetzen, zunimmt. Letzte Woche habe einen großen Teil unseres Hauses aufgeräumt. Das funktionierte, weil Mann und Kind für ein paar Tage verreist waren. Jetzt üben wir, es hier gemeinschaftlich ordentlich zu halten. Und dass der Garten noch keinen Winterschnitt bekommen hat und das Projekt Palettensofa leise wimmernd in meinem Kopf nach Beendigung schreit? Das nehme ich als Teil des Prozesses an.

Neue Strukturen brauchen wie Kinder ihre Zeit, sich zu entwickeln. Und es hilft nichts, wie es ein afrikanisches Sprichwort besagt, am Gras zu ziehen. Es wird nicht schneller wachsen. 

Auch wir als Familie brauchen Zeit, unsere Ideen und Vorstellungen abzugleichen, einander in unseren Bedürfnissen, Sorgen und Herausforderungen besser kennenzulernen. Und da dürfen manche Dinge hinten anstehen. Gut, dass der Mann und ich uns in diesem Punkt einig sind: Es geht nicht ums Machen, Schaffen oder ums Perfektionieren. Es geht um uns.

Demnächst werde ich mir den Rasenmäher für den Winterschnitt schnappen und den Mann bitten, eine Einladung zum Kindergeburtstag vorzubereiten. Unser Prozess hat mir gezeigt, dass Paare die Arbeit der / des anderen oft nur wertschätzen, wenn die einzelnen Schritte transparent werden. Es geht darum, die Mühe und die Liebe sichtbar und fühlbar zu machen, die wir oft unbemerkt in unser Family-Business investieren. 

Mental-Load – lasst ihn uns umkehren!

Es ist an der Zeit, uns für einander zu interessieren. Für das, was uns bedrückt, niederdrückt und Kraft kostet. Für unseren Mental Load. Und wir dürfen sensibel werden für alles, was Wind unter die Flügel pustet und uns aufrichtet, uns als Individuen und als Familie stärkt. Mental Re-Load, eben.

Tanja Conrad

Von Tanja Conrad

Tanja Conrad ist Mutter, Pädagogin, Journalistin und Gründerin des Mütter-Begleitprogramms „Erziehen ohne Ahnenrucksack“. Ihr Eltern-Ratgeber „Den inneren Takt finden. Musik als Schlüssel zum Familienglück“ erscheint im November 2023.

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