So klappt die Arbeit im Home-Office mit Hund
Haustiere tun uns gut. Besonders jetzt in der einsameren Corona-Krise geben sie uns Halt, schenken uns Liebe und lenken uns ab. Trotzdem müssen sich Mensch und Tier auch daran gewöhnen, dass sie auf einmal mehr Zeit miteinander verbringen als sonst. Eine Hundetrainerin gibt Tipps, wie das tierische Miteinander im Home-Office problemlos gelingen kann – und Hundehalter ihre Lieblinge trotzdem ausreichend beschäftigen.
Social Distancing – das ist das Gebot der Stunde. Wir müssen unsere sozialen Kontakte auf das Nötigste beschränken, um die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen. Auch wenn das verständlich ist, schlägt das ganz schön aufs Gemüt. Wer alleine lebt, fühlt sich ohne persönliche Kontakte schnell einsam. Aber auch in einer Familie kann einem die Decke auf den Kopf fallen. In dieser Corona-Krise spielt die Gesellschaft unserer Haustiere eine besondere Rolle. Das hat eine groß angelegte Heimtierstudie der Fachhandelskette für Tiernahrung Fressnapf und des Meinungsforschungsinstituts rheingold bestätigt.
Zwischen 2017 und Dezember 2019 wurden bundesweit 1.600 Interviews mit Hunde- und Katzenhaltern im Alter von 18 bis 79 Jahren geführt. 60 Prozent aller Befragten bestätigen, dass das eigene Haustier wie ein Familienmitglied für sie ist. Und nicht nur das: Haustiere schenken uns die momentan so wichtige Nähe und bringen uns beim Gassigehen und Spielen in Bewegung. Aber sie helfen uns auch, uns im psychisch belastenden Corona-Stress zu beruhigen und zu entspannen. 64 Prozent der Befragten sagen, dass sie mit ihren Lieblingen Glücksmomente erleben. Ganze 80 Prozent der Befragten geben an, dass sie dank ihrer Vierbeiner nach einem anstrengenden Tag zur Ruhe kommen und Entspannung finden.
Trotz Kurzarbeit oder Home-Office: Struktur ist auch im Corona-Alltag wichtig. Und genau das schätzen die Tierhalter laut der Studie an ihren Vierbeinern: 76 Prozent aller befragten Hunde- und 55 Prozent aller Katzenhalter bestätigen, dass ihr Haustier zu mehr Ordnung und Struktur beiträgt. Feste Fütterungszeiten, Pflege, Erziehungen sowie gemeinsames Spiel und Bewegung müssen auch in den jetzigen Zeiten eingehalten werden. Tiere geben uns also Halt und das gute Gefühl, wichtig zu sein und im Leben gebraucht zu werden.
Struktur ist auch für Hunde wichtig
Ein strukturierter Tagesablauf hilft nicht nur uns Menschen, sondern auch den Tieren. Heike Kleinhans leitet gemeinsam mit ihrem Mann Lars die Hundeschule „Martin Rütter DOGS Bielefeld Gütersloh“. Beide sind für zwei Jahre bei Martin Rütter in die „Lehre“ gegangen, seit 2015 geben sie ihr Hundewissen an andere Halter weiter. Diese stehen in Zeiten von Heimarbeit vor ganz neuen Fragen. Zum Beispiel: Was tun, wenn der Hund die Arbeit im Home-Office stört? Auch dabei hilft Struktur. Kleinhans empfiehlt, den Hund beim ersten Spaziergang morgens vor der Arbeit körperlich und geistig auszulasten. Immer – nicht nur in Corona-Zeiten! „Ich nutze da gern einen Vergleich: Wenn man mit dem Hund einfach „nur“ geht, zwischendurch keine Beschäftigung oder Übung anbietet, ist das so, als würde man mit dem Partner oder einer Freundin spazierengehen und die ganze Zeit kein Wort wechseln – das ist auch nicht besonders beziehungsfördernd und befriedigend“, sagt sie und lächelt.
Der Hund kann sich beispielsweise einen Teil seiner ersten Mahlzeit über eine Futtersuche oder ein Apportiertraining erarbeiten. Keine Sorge: Der Spaziergang muss dadurch nicht länger werden. Einfach das Spiel oder die Aufgabe in die übliche Morgenrunde integrieren. Zu Hause kann sich der Hund dann ausruhen und schlafen – und der Mensch erst einmal ein paar Stunden konzentriert im Home-Office arbeiten.
Wichtig: Herrchen oder Frauchen entscheidet über das Programm
„Die Mittagspause kann dann beispielsweise immer dazu genutzt werden, selbst den Kopf frei zu bekommen, und auch den Hund wieder auszulasten.“ Das muss nicht täglich exakt zur selben Uhrzeit sein, „aber nach ein paar Stunden vor dem PC raucht natürlich sowieso der Kopf und etwas Bewegung an der frischen Luft tut dann gut“. Danach könne man erfrischt in die zweite „Halbzeit“ gehen und der Hund sei erst einmal wieder zufrieden. Bei allen weiteren Pausen, zum Beispiel kleineren Trainingseinheiten im Garten oder Futtersuchspielen in der Wohnung, sollte das Herrchen oder Frauchen immer darauf achten, dass er oder sie entscheidet, wann Pause gemacht wird. „Es sollte nicht so laufen, dass der Hund dem Menschen sprichwörtlich schon auf den Füßen steht und dann geht es los“, warnt Heike Kleinhans. „Das würde ein forderndes Verhalten des Hundes eher verstärken und entspanntes Arbeiten deutlich schwieriger machen.“
Und wenn die genannten Spielregeln nicht ausreichen und der Hund trotzdem immer wieder Streicheleinheiten und Spiele einfordert? „Der erste Schritt ist, den Hund komplett zu ignorieren“, antwortet Heike Kleinhans und nennt „die drei A‘s“: nicht angucken, nicht ansprechen, nicht anfassen. Auch das Etablieren einer festen Liegestelle sei hilfreich, gegebenenfalls kann der Hund schrittweise und positiv an eine Box gewöhnt werden. „Diese hilft vor allem dem Menschen, den Hund besser ignorieren zu können“, sagt Kleinhans mit einem Augenzwinkern. Generell kämen aber auch aktivere Hunde gut zur Ruhe, wenn die von der Hundetrainerin empfohlenen Spielregeln eingehalten werden.
Ein jüngerer und aktiverer Hund braucht natürlich etwas mehr Auslastung als ein sowieso ruhigerer oder auch älterer Hund.
Einfach mehrere kurze Arbeitspausen zwischendurch einbauen, um den Hund in dieser Zeit vor allem vom Kopf her auszulasten, beispielsweise mit Nasenarbeit.
Wer Probleme hat, kann die Hundeschule auch digital besuchen
Der analoge Besuch in der Hundeschule zur Beschäftigung und Auslastung ist zwar zurzeit nicht möglich, der Online-Besuch aber schon. Viele Hundeschulen bieten in der Corona-Zeit digitale Trainings an. In Webinaren erläutert ein Redner zum Beispiel theoretische Inhalte. Der Vorteil: Einzelne Sequenzen im Video können immer wieder angeschaut werden. Aber die Hundetrainer können Mensch-Hund-Paare auch individuell online anleiten und in Problemsituationen weiterhelfen. „Wir haben für unsere Hundeschule beispielsweise Tutorials mit unseren eigenen Hunden erstellt, in denen wir Schritt-für-Schritt-Anleitungen für das Training unterschiedlichster Beschäftigungsformen bieten.“ Selbst die Welpengruppe und andere Gruppentrainings können bei „Martin Rütter DOGS Bielefeld Gütersloh“ fortgeführt werden, indem alle Teilnehmer per Video eine Trainingsaufgabe erhalten. „Jedes Mensch-Hund-Team übt die Woche über fleißig und filmt sich während des Trainings. Diese Videos werden uns dann geschickt und in der gemeinsamen Gruppenstunde mit allen Teilnehmern besprochen.“
Bei aller Beschäftigung mit dem geliebten Vierbeiner: Tierischer Stress muss vermieden werden. Damit der Hund nicht überfordert wird, ist es wichtig, ihm auch in Home-Office-Zeiten genauso viele Ruhephasen und Pausen zu gönnen, wie er unter normalen Umständen auch hätte. „Grundsätzlich gilt das, was sonst auch gilt: Lieber mehrere kleine Trainingseinheiten über den Tag verteilt als eine lange Trainingsphase am Stück“, sagt Kleinhans. Der Hund brauche genau wie wir seine „Arbeitspausen“.
Hunde an den „Abschied“ aus dem Home-Office gewöhnen
Das gilt auch, wenn die Kinder, die sonst in der Kita oder in der Schule sind, nun zu Hause sind. Der ruhige Vormittag fällt für den Hund dann häufig flach. Aber: „Die Eltern müssen dafür sorgen, dass der Hund ruhige Rückzugszonen hat, in die die Kinder nicht eindringen“, betont Kleinhans. Beispielsweise mehrere Liegestellen oder auch eine Box. Neigt der Hund dazu, vermehrt kontrollierendes Verhalten an den Tag zu legen, einzelnen oder allen Familienmitgliedern hinterherzulaufen und nicht mehr zur Ruhe zu kommen, empfiehlt sie auch hier konsequentes „Deckentraining“, um den Hund daran zu hindern und ihm den Stress zu nehmen.
Das ruhige Verweilen auf der Decke wird dann schrittweise verlängert und zwischendurch natürlich auch entsprechend belohnt.
Schritt für Schritt geht es für uns wieder zurück in die Normalität und irgendwann werden wir das Home-Office wieder verlassen und im Büro arbeiten. Sollten Herrchen und Frauchen ihren Hund auf diesen „Abschied“ vorbereiten? „War der Hund nun wochenlang fast nie oder sogar gar nicht allein, fällt ihm das Alleinbleiben im Anschluss gegebenenfalls schwerer als zuvor“, antwortet Kleinhans. Sie rät deshalb, auch weiterhin mal etwas ohne den Hund zu unternehmen. „Also häufiger einen Spaziergang oder eine Fahrradtour ohne den Hund machen.“
Wenn man trainieren möchte, dass der Hund es nicht als seltsam empfindet, allein zu sein, können einzelne oder auch alle Familienmitglieder sich immer mal wieder so verhalten, als wollten sie ohne Hund das Haus verlassen: Schuhe anziehen, Jacke, Tasche, Schlüssel nehmen und dann ohne Abschied rausgehen. „Erst einmal nur kurz, dann immer länger.“ Dieses Training macht man am besten dann, wenn der Hund vorher draußen war und ausgelastet wurde. Wichtig: Bei der Rückkehr wird der Hund zunächst ignoriert, die Menschen verabschieden sich nicht und begrüßen den Hund auch nicht. „Das kann man durchaus mehrere Male am Tag machen. Der Hund lernt, dass seine Menschen weggehen, aber auch immer wieder zurückkommen“, sagt Heike Kleinhans.
Man muss dabei darauf achten, dass man die Dauer in kleinen Schritten steigert, damit der Hund nicht zu viel Stress bekommt.
Beachtet man all diese Dinge, steht einem ausgeglichenen und gesunden Miteinander nichts im Wege. Und die Tierhalter können ungestört von den positiven Einflüssen ihrer Lieblinge profitieren. Das Team um Dr. Helen Louise Brooks von der Universität Liverpool untersuchte 17 Studien zu dem Thema Haustiere und ihren Einfluss auf das mentale Wohlbefinden. Das Ergebnis: Die Tiere konnten die angeschlagene Psyche der Teilnehmer positiv beeinflussen. Menschen, die unter anderem an Depressionen, Burnout oder posttraumatischen Belastungsstörungen litten, bekamen dadurch wieder ein Gefühl von Sicherheit und Kontinuität, außerdem gaben die Tiere ihrem Leben wieder Sinn.